Mitternachtsblues

 (entstanden aus Fragmenten, die ich 2018 in mein Notizbuch gekritzelt habe)

In den Momenten, in denen das „Wenn“ das „Aber“ ablöst und man der fixen Idee hinterherzurennen beginnt, sein Leben formen und gestalten zu können, ohne Grenzen beachten zu müssen muss man feststellen, dass man sich auf dem Holzweg befindet.
Splitter der Angst und der Unzulänglichkeit bohren sich schon bei den ersten Schritten tief ins Fleisch und schon bald tanzt man auf blutenden Füßen. Man rennt gegen die Mauern der Unterschiedlichkeit an, verschiebt eigene Grenzen und bleibt, schlussendlich, allein und zerstört zurück. Und doch ist da diese tiefe Sehnsucht nach verrauchten, whiskygeschwängerten Nächten die länger andauern als einen Augenblick der Geilheit- losgelöst von der Realität und dem Alltag.
Schlussendlich werden Worte zu Floskeln, Einsamkeit wird greifbar. 
Ist es da nicht einfacher auf dem konventionellen Weg zu bleiben? 
Keine Kompromisse einzugehen bedeutet, keine Grenzen ausloten zu müssen. 

In Nächten der Einsamkeit ist man nur für sich.
Wer kann denn auch verlangen, dass andere seine Lasten tragen und ihn ein Stück des Weges begleiten?
Am Ende erfindet man Ausreden, leckt seine Wunden, stellt sich selbst zurück und bereut, nicht alleine geblieben zu sein- weit hinter seinen fallengelassenen Masken. 
Das innere Kind wird schlagartig zum Schweigen gebracht und der junge Keim wird erstickt, bevor er tiefe Wurzeln schlagen kann. Oft ist letzteres schon passiert und keiner bemerkt den stillen und tiefen Zusammenbruch. 

Im Grunde genommen sind wir alle Egoisten, die sich einsam an dem kleinen Seil des Lebens entlanghangeln.
Depressionen sind das Resultat aus fehlgeleiteten Entscheidungen und einer tiefen Sehnsucht danach, gesehen zu werden. Das bestätigen die Professoren seit Jahren. Ein wirkliches Heilmittel gibt es nicht. 
Wie verloren ist der Mensch, der sich selbst neu erfinden möchte in einer Welt voller Zwänge und Dogmen. Er kann das Leben erklären, kann helfen, sich verschenken und doch bleibt er leer zurück. 
Gerade noch hat er Wunden verbunden und plötzlich liegt er selbst am Boden, tödlich getroffen von den Konsequenzen seiner Entscheidungen. Er selbst rettete Leben und fährt nun allein zur Hölle. 

Philosophen sprechen schon immer davon, dass jeder sich selbst der Wichtigste zu sein hat. Suchende und Seelenschlüssel müssen diese Wahrheit begreifen, die für sie wie eine Lüge klingt.
Vielleicht ist es ja besser stehen zu bleiben und nicht in die Nacht zu gehen um Licht zu bringen. Vielleicht ist Liebe ein Mythos, der niemals in seiner Reinform gelebt werden kann – zumindest nicht auf dieser Welt.  

Es gibt kein ‚wir‘. Jeder ist einsam in den sternenlosen Nächten. Das Telefon fällt aus der Hand. Man weiß nicht, an wen man sich wenden kann. Die kleinen Oasen zerstören sich von allein. Mauern werden wieder hochgezogen und verstärkt. Schildwalle werden errichtet. Worte der Tiefe ersaufen langsam im Morast des Lebens und können nicht gerettet werden. 

Melancholie ist Bullshit. 
Am Ende bleibt lediglich ein Gefühl der Vergänglichkeit.

Dein Name

Die Nacht, durch die ich so einsam gegangen
Als alles und jeder tief schlief
Wo Birken sich beugten und Erlen erwachten
der Wind meinen Namen rief


Da sang ich den deinen mit ganz leiser Stimme
und keiner erkannte ihn hier


Und als dann die Lerche das erste der Lieder
sang hell in den Morgen hinein
Schlief ich auf der Lichtung und träumte vom Leben
ja, träumte das Leben sei mein


Ich sang deinen Namen mit ganz leiser Stimme
und keiner erkannte ihn hier
ein Wind trug ihn fort zu entfernten Gestaden
im Herz trug ich ihn tief in mir


Es hörten ihn alle
Die Erle, die Eiche, der Waldkauz sang leise mein Lied
Und doch bin ich hier mit mir ganz alleine
Nichtsahnend wie mir grad geschieht


Ganz leis sprach ich ihn, den Namen den deinen
ein Hauch nur, ein Flüstern im Wind
Wie Worte gesäuselt, die einen, die meinen
Die doch nur die deinen stets sind

Eisenherz

Erklärung zum Text:
Letztes Jahr starteten ein Freund und ich den Versuch, gemeinsam Musik zu schreiben. Leider scheiterte unser Projekt an Distanz, Corona und Zeitmangel. Zum gemeinsamen Projektentwurf gehören nun mal auch Proben und andere Widrigkeiten, die eine Menge Zeit fordern, die ich damals nicht hatte. Was ich noch habe sind meine Texte, die ich hier nach und nach einpflegen werde. Habt Nachsicht mit mir. Vor einem Jahr habe ich eine Menge geschrieben- Liedtexte waren nicht dabei. Ich hoffe, wir bleiben uns wohl gesonnen.

Die Welt ist groß, viel kleiner ist das Bleiben
Der Lauf der Zeit unmerklich geht voran
Und du lässt dich auf stillen Wassern treiben
Sinnierst darüber, wie es einst begann

Dereinst bist du gleich eines Fisch‘s geschwommen
Gesprungen bist du, ungezähmt und frei
Das was du wolltest hast du dir genommen
Doch heute ist dein Herz so schwer wie Blei

Wie Eisen ist dein Herz, so fest umschlossen
Du wolltest gehen, frei und unbeschwert
Gleich eines Kindes hast du tief genossen
Das Leben, denn es war so lebenswert

Und sanft trägt dich der Fluss an die Gestade
Du spürst es kaum, dein Kopf gedankenleer
liegt sanft umspült auf weißem Schaum gebettet
und ein zu Hause hast du nimmermehr

Die Eltern dachten, dass du kommst nie wieder
Die Liebste ging ins Meer vor langer Zeit
Der Krieg, vor dem du beugtest stolz dich nieder
Zerbrach dein Dasein, brachte Schmerz und Leid

Wie stolz bist du dereinst hinaus gefahren
Kopf in den Wolken, Traum von Trug und Tand
Und jetzt spürst du nach all den harten Jahren
Das immer wieder nur der Tod dich fand

Ein Speer traf dich, man legte dich in Ketten
Ein Sklave warst du lang in fremdem Land
Kein Gott, kein Teufel kam um dich zu retten
Und heute liegst du hier an dunklem Strand

Mein Freund, du darfst nun deine Augen schließen
Lass deine Seele fliegen hoch hinaus
Kannst deinen Lohn in Ewigkeit genießen
Der gnädge Tod streckt seine Arme aus

Eisprinzessin

Nun steht sie hier.
Abgrund oder Chance, sie ist sich nicht sicher. So, stellt sie sich vor, muss sich ein Bergsteiger fühlen, wenn er an der Felswand hängt. Zwar ist er gesichert, aber wer garantiert ihm, dass die Seile halten? Er darf nicht nach unten sehen, da ihn sonst der Mut verlassen könnte. Möglicherweise warten die Taue die ihn halten nur darauf, dass er zweifelt.
Sie fühlt sich wie dieser Bergsteiger. Vor ihr die Wand. Irgendwo, weit über ihr die Freiheit.

Als Kind hatte sie so viele Träume und nun wo sie hier in den morschen Seilen hängt weiß sie, dass von alledem lediglich ein Haufen Schrott übrig geblieben ist.

Eigentlich hatte ihr jüngeres Ich nur nach Anerkennung gesucht.
Katzengold statt Reichtum. Es hatte an den falschen Stellen geschürft.

Mit hohlen Phrasen und leeren Versprechungen kennt sie sich aus. Mittlerweile kann sie den alles verzehrenden Abgrund hinter ihnen erkennen. Hungrig ist er immer, genau wie sie selbst. Die Depression hockt auf ihrer Schulter wie ein alter, hässlicher Papagei, der ihr stets dasselbe souffliert.
Ich bin nichts, kann nichts, werde nie etwas sein!

Die Stimme ist die letzten Jahre immer lauter geworden und nun ist da auch noch ein Kind, welches mehr will als sie vielleicht zu geben bereit ist.

Doch!

Bereit ist sie, aber das Gefühl der Unfähigkeit ist stark. Es nagt ständig in ihrem Kleinhirn wie eine Ratte, die sich den Weg durch ein Stück Käse bahnt.

Wieder einmal ist sie falsch abgebogen. Sie hat Vertrauen gelassen wie Konfetti, welches bunt zur Erde fällt und dann zertreten wird.
Schon wieder!
Der Traum von Familie ist dahin. Sie ist abhängig von dem Wohlwollen anderer, doch wollen sie ihr Wohl?

Ein bitteres Lachen gurgelt nach oben und stößt gewaltvoll gegen zusammengebissene Zähne. Vielleicht hat sie es nicht anders verdient.

Schmerzen kennt sie.
Enttäuschung enttäuscht sie nicht.
Da, wo viele zerbrechen, ist sie schon gewesen.

Unkonzentriert und fahrig greift sie nach der kleinen Hand und versucht sie zu halten.
Stark zu sein.
Versucht zu kämpfen und hängt sich in die morschen Seile.
Nur nicht nach unten sehen!

Soll sie nach der Hand greifen, die sich ihr helfend entgegenstreckt?
Kann sie den Versprechungen glauben, die ihr gemacht werden?
Sollte es noch nicht zu spät sein?

Kinderaugen sehen sie an und in ihrem Zaudern entscheidet sie, sich auf ein weiteres Abenteuer einzulassen. Langsam beginnt sie sich zu ergeben.
Jede Chance beginnt mit einem Funken Vertrauen.

Vertrauen!

Für dich, der du diesen Brief mit offenen Augen zu lesen vermagst…

Für dich, der du diesen Brief mit offenen Augen zu lesen vermagst…

Sturm!

Innen und außen, um mich herum. Zornig reißt er an mir und zwingt mich, meine Füße fest auf den Asphalt zu stemmen. Er konfrontiert mich, fährt unter meine Maskerade der Gleichgültigkeit, macht mich wütend und hält mich klein. Jeden Riss deckt er auf und nichts ist mehr einfach und gut verborgen. Das Leben wird ausgebremst. Ich werde entschleunigt. Unfreiwillig verlangsame ich meine Schritte. Fokussiere mich auf meine Mitte, die schon lang nicht mehr beachtet wurde. Ich flüchte mich in ein Café und auch da komme ich nicht zur Ruhe. Sobald sich die Tür öffnet, streicht ein Lufthauch über mein Gesicht. Fährt durch mein Haar. Draußen ist Herbst. Ich bin versucht, einen Zustand auf diese Jahreszeit zu schieben, aber es gelingt mir nur unaufrichtig. Ich weiß um die Ausreden, habe ich sie mir doch schon lang zurechtgelegt. Ich fordere Verständnis ein, ohne welches zu haben. Draußen wechselt sich die Feuerwehr mit dem Notarztwagen ab. Blaulicht und Sirenen. Der Sturm holt nicht nur mich bei mir selbst ab.

Im Café sitzen wenige Menschen. Auch hier finde ich keine Zerstreuung und das Schreiben deckt mehr und mehr mein Inneres auf. Es ist wie jedes Jahr. Oktober ist der Monat der ‚Abrechnung‘. Zeit, sich eine Decke zu schnappen und zu lesen. Zeit, das Jahr Revue passieren zu lassen. Tut man es nicht aus freien Stücken, wird man dazu ‚überredet‘. Das zumindest ist meine Theorie. Es ist wie mit dem Kind, das nie erwachsen werden wollte. Es wehrt sich mit Händen und Füßen, nur um schließlich in einer Welt von Phantasie und des märchenhaftem zu leben, gegen Piraten zu kämpfen und andere Kinder festzuhalten um nicht allein zu sein. Vielleicht ist es aber auch wie mit dem Mädchen, welches Kaninchen folgt und in ein Erdloch fällt. Wie habe ich Alice geliebt. Die Wahrheit hinter diesen Geschichten allerdings sieht anders aus. Alice, ein Missbrauchsopfer, die Erfindung eines pädophilen Autors der kleinen Mädchen widerliche Liebesbriefe schrieb, die weder gesund noch romantisch waren. Er war besessen von dem Kind, dem er seine Bücher widmete und zugegeben, es sind puppige Geschichten. Der Hintergrund ist aber gar nicht niedlich. Peter Pan war im Orginaltenor ein Kerl, der Kinder umbrachte, sobald sie ein gewisses Alter überschritten hatten. Daran ist sicher nichts heldenhaft verträumtes. Es ist schlichtweg die Geschichte eines Serienmörders, eines Irren ohne Gewissen der dem Wahn erlag, stets von jungem und lebendigen umgeben zu sein.

Meiner Meinung nach verhält sich das Leben ähnlich facettenreich. Man sieht natürlich stets zuerst das, was vor Augen liegt. Dem einen genügt das schon, der andere möchte gern mehr erfahren. Am Anfang steht stets die Verzauberung. Man ist fasziniert vom ersten Eindruck, oder abgeschreckt, kratzt am schönen Schein und kann sich entscheiden, ob man Oberflächlichkeit oder Tiefgang wählen möchte. So ist das mit allen Dingen des Lebens. Ich habe dieses Jahr an der Fassade gekratzt und nun bäumt sich mein inneres, vernachlässigtes ICH auf und meldet sich lautstark zu Wort. Warum ich mich darüber wundere weiß ich nicht, tut es das doch schon immer. Man vergisst schnell logische Gesetzmäßigkeiten und ist immer wieder überrascht, wenn sie dann schließlich eintreffen.

Und dann sehe ich dich und frage mich, ob es dir genauso geschieht. Kennst du auch diese irrationalen Untiefen, in die man immer wieder zu fallen scheint? Weißt du, wovon ich rede? Möglich, dass du es sogar besser verstehst als ich. So ist das immer. Außenstehende haben einen gesünderen Blick auf die Dinge. Den habe ich auch, wenn ich mit Menschen zusammen sitze. Fast immer schütten sie mir ihr Herz aus und ich habe mehr Emphatie für sie als für mich und mein allernahestes Umfeld. Während ich mich bedauere, verschwindet anderswo ein Mädchen. Beziehungen crashen und Menschen werden von einer schwärzeren Vergangenheit überrollt, als ich sie mir vorstellen kann. Menschen liegen im Sterben und würden gern leben. Andere gängen gern und müssen bleiben. Die Welt ist viel mehr als klein und eingeschränkt. Für mein Denken und Sein gilt selbiges. Die Einzige die sich beschränkt bin ich.

Im Moment erinnert mich das Leben an eine große Stadt, die einem eigenen Rhythmus folgt. Es ist scheinbar leicht, ihm zu folgen, und er zieht, drängt und treibt in diese eine Richtung. Es ist schwierig abzubiegen und wenn man es doch tut fühlt man sich einsamer als jemals zuvor. Dass man auch schon vorher verwaist war, denn das ist man in solchen riesigen Städten immer, klammert man aus. Fraglich, ob es einem überhaupt klar war. Plötzlich sind da nicht mehr diese Marionetten, welche diesem einen und speziellen Rhythmus folgen und denen man sich unbedarft angeschlossen hat. Man beginnt zu strudeln und hält sich an all den Dingen fest, die einem vor die Hände kommen. Es spielt keine Rolle, ob man sich an ihnen vergiftet, Hauptsache man strudelt nicht mehr einsam. Wenn es einen schon in den Abgrund reißt, dann doch bitte nicht alleine. Man teilt schließlich gern- zumindest verkauft man es.

Aus Burnout wird Fuck off- so einfach ist das. Mein Fuck off habe ich seit Jahren, nur zeige ich es niemanden. So lange man mich für stark und unfehlbar hält, tue ich das auch weiterhin. Der Boden allerdings beginnt langsam zu splittern. Erst war es nur ein Sprung, doch mittlerweile weiß ich nicht, wie lange es dauert bis ich einbreche und- falle. Das Glas wird splitternd brechen und ich werde ins bodenlose stürzen, dessen fühle ich einfach. Ich bin gespannt, wer am Ende da sein wird, um mich zu bergen. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich dann keinen ansehnlichen Anblick abgebe, inmitten meiner zersplitternden Masken. Du bist schon lang aufgebrochen. Oder war ich es, die davongelaufen ist? Ich erinnere mich nicht. Das Einzige was ich weiß ist, dass du nicht mehr bei mir bist. Möglich, dass du einen meiner Winter nicht überlebt hast. Vielleicht hat dich aber auch der Herbststurm fortgetragen. Nicht ausgeschlossen, denn wenn ich nach draußen schaue kann ich mir das gut vorstellen.

Du bist kein Peter Pan und ich keine Alice, aber beide folgen wir Piratenschiffen und weißen Kaninchen, sehen Grinsekatzen und füttern Krokodile. Wenn ich in die Schaufenster sehe, dann träume ich mich in die Welt hinter den Spiegeln und halte einen Moment inne, um bei mir zu sein. Oder bei dir?

Ja, Fuck off und kein Burnout. Wir spielen mit unseren Sehnsüchten und ich schreibe dir diese Zeilen, wiederhole mich, verwirre und entwirre Gedankenkonstrukte, bilde Knäule und kämpfe mit Dämonen. Ich werde diese Seiten in eine Glasflasche stecken und in den nahen Fluss werfen. Vielleicht finden sie ja den Weg zu dir? Dann, wenn du oder auch du sie liest, wirst du dich fragen was für eine verwirrte Seele ich doch bin.

Mir schnuppe! Tanz mit mir! Wirke verrückte Dinge, egal wo du gerade bist. Genieße das kleine Stückchen Leben, so lang du die Möglichkeit dazu hast.
Wie gern würde ich mich betäuben und unvernünftige Dinge tun- mich selbst spüren durch dich. Ich bekomme nie genug. Genau deswegen werde ich stets undankbar erscheinen. Das Leben ist mir zu eng und meine Möglichkeiten zu beschränkt. Diese Kakophonie genügt mir nicht. Innerlich renne ich weg- davon- um nie wieder zu kommen. Vielleicht finde ich ja meinen ruhigen Punkt. Wahrscheinlich wirst nicht du dazu werden und auch kein anderer. Ich will dich in den kurzen Momenten, die aufflackern. Ich will tanzen. Gedankenverloren. Lachen- nur für mich allein. Lieben- ohne mich zu verbiegen. Ich will mit dem Sturm fliegen, am Meer sitzen und mit Freunden Musik machen. Ich will Wein trinken, Whisky genießen und einfach nur sein.

Herbst!
Freund und Feind in einem.
Verehrt und gehasst und doch tief in mir.

Du, der du diese Zeilen liest, sei gewiss, dass du geliebt wirst.
Leb wohl!

Für dich, der du im Morast zu stecken gedenkst…

Für dich, der du im Morast zu stecken gedenkst…

Wer wärst du, wenn du nicht davon absehen würdest auf Träume zu verzichten und Wünsche zu begraben? Wie anders würde deine Welt aussehen, wenn du sie in bunten Farben anstatt der immergrauen Zwischentöne hieltest?

Du bist zu langsam für diese schnelllebige Zeit. Zumindest das hast du begriffen. Anstelle dich jedoch treiben zu lassen, Kreativität zu formen und Untiefen zu erkunden, leistest du Widerstand. Du kämpfst, bis dir die Kraft ausgeht und dann stagnierst du. Du gräbst deine Füße einfach in den nassen Sand und die verfaulenden Pflanzenreste und resignierst. Du fluchst über die Welt, die dir nichts schuldet und deutest mit Fingern auf die vorbeitreibenden. Spricht dich jemand auf dein Stillstehen an, erläuterst du ihm dass du eben ein Beobachter bist. Nicht jeder kann schwimmen, kämpfen, sich treiben lassen. Manche haben eben die Berufung des Stagnierens. Eine wichtige Bestimmung wie du betonst. Immerhin muss es auch solche wie dich geben. Bewertende und verurteilende, innerlich neidische und verbitterte, sehnsüchtig und ängstlich darauf bedacht keine Emotionen sehen zu lassen. In alledem redest du dir ein, dass du alles im Griff hast, die kleine Stimme ignorierend die sehnsuchtsvoll Worte flüstert. Manchmal nervt dich diese stetig lockende Partie und die knebelst sie mit Drogen und Alkohol.

Was also ergäbest du, wenn du deine Träume leben begännest? Würdest du tanzen, einem Menschen sagen, dass du ihn liebst? Gelänge es dir, loszuziehen, um Abenteuer zu erleben? Du weißt, dass der alte Delphin manches erlebt hat und noch immer schaut er danach aus.

Liebst du dein Leben? Weißt du, dass es endlich unendlich ist? Wer weiß schon wie es weiter geht. Für mich endet es auf dieser Welt um in einer anderen, fortwährenden zu beginnen. Weißt du, es ist egal, an was du glaubst, nur vertraue. Erlaube dem ewig guten deinen Weg aufzuräumen und den eigenen Zielen und Visionen wieder Flügel zu geben.

Als Kind war es doch auch einfach, oder? Man spielte in der eigenen endlosen Welt und eilte zu Tisch, wenn Mutter zum Mittag rief. Bis dahin hatte man Drachen erschlagen, Wälder gepflanzt und Prinzessinnen gerettet/ wahlweise auch Prinzen oder Drachen, die von anderen beinahe niedergemacht worden wären. Du lebtest mutig und stärktest dich für kommende Schlachten und Mutproben in den weit entfernten Welten, die hinter der elterlichen Terrasse begannen. Du hast sie alle gesehen, die Namenlosen vom alten und kleinen Volk. Entspannt habt ihr unter der alten Eiche gesessen und dem flinken Spiel der Spindel zugesehen.

Was ist nur aus dir geworden, der du jetzt menschenscheu die Meinung der anderen fürchtest und dich der gesamten Welt anpassen möchtest. Nicht mehr lang und es wird dir nicht mehr gelingen, dem immerwährenden Strom zu trotzen. Nicht mehr lang und der morastige Boden wird sich unter deinen Füßen bewegen und dir keinen Halt mehr geben. Wem, mein Gefährte, willst du dann zugehörig sein. Das Göttliche hast du verleugnet, die Freunde von dir gestoßen, der Liebe abgesagt, dich anderen unterworfen. Dein Selbst hast du geopfert für zerbrechliches Maskenspiel und nun weißt du nicht mehr, wer du bist und was dich hält. Ich hoffe, dass es noch nicht zu spät für dich ist. Man vergisst, weißt du. Fantasia hat nicht eine kindliche Kaiserin und du nennst keinen Glücksdrachen deinen Freund. Da hinten brennen die Feuer des Niederganges. Sieh, wie sich dich locken. Die Götzen waren stets tot und unverformbar. Sie funkelten vor Katzengold und verstanden es, dich zu blenden. Ihren Glanz trugst du mit dir und andere fielen auf dich herein. Sie deuteten deine schönen Worte der wahren Kunst zu und versanken in deinen Augen, bis sie keine Luft mehr bekamen. Du nahmst, ohne zu geben. Verstandest, dich zu verkaufen, obwohl du nichts zu bieten hattest.
Wie wunderschön hingegen warst du als spielendes Kind, welches in den Bäumen Elfen zählte und mit den Wellen des Meeres sprach. Wie göttlich war dein Tun und reden im Vergleich zu dem deines heutigen Schattens.

Steh auf! Schau hin! Einst nahm ich dich in die Lehre. Ich versprach, dich nie zu verlassen. Als Wind kam ich zu dir und umwarb dich eifernd eifersüchtig. Meinen Schatten gewährte ich unter grünem Blätterdach. Segen folgte dir, bist du doch mein Geschöpf.
Mein Kind!

Ach wollest du doch zu mir zurückkommen und wieder sehend werden. Ich bin immer hier sein und warte auf dich, werde dich immer lieben und stets deinen Weg beobachten- mir schmerzlich bewusst nicht eingreifen zu können, ob des freien Willens, den ich dir einst gewährte.

Wer wärst du, wenn du nicht davon absehen würdest auf Träume zu verzichten und Wünsche zu begraben? Wie anders würde deine Welt aussehen, wenn du sie in bunten Farben anstatt der immergrauen Zwischentöne hieltest?

Für dich, der du stets ohne Substanz fragst…

Für dich, der du stets ohne Substanz fragst…

Wenn du mich fragst, wie es mir geht, ist die Antwort klar wie ein Wintertag. Natürlich geht es mir gut. Selbst nach all den Jahren hat sich daran nichts geändert. Du lässt mich stehen in diesem „gut“. Warum auch nicht, lasse ich doch keine Zweifel aufkommen. Wir begegnen uns selten. Hin und wieder schreiben wir ein paar Worte, tauschen uns über Belanglosigkeiten aus und hinterfragen nichts auch nur im Ansatz. Wenn ich dich frage, wie es dir geht, hast du zwar etwas zu erzählen, aber es ist belanglos, wie die Rede eines Trauzeugen, der sich nicht traute und nun das Nachsehen hat. Auch ich lasse dich stehen und hinterfrage nichts. Es ist einfacher, die Dinge kommen zu lassen, nur das unsere Dinge auf Abstand bleiben. Sie wissen warum, denn wenn wir uns näherten, fänden wir keine Lücken mehr. Würden wir uns zerreißen? Am Ende blieben in diesem Fall nur noch kleine Fetzen zurück, welche der Wind über die Steppen ungelebter Träume weht. Sollten wir uns aber umarmen, wahrhaftig meine ich, wäre es möglich, dass das „gut“ die Belanglosigkeit an die Hand nimmt und sich beide aus dem Staub machen. Was dann kommt, ist Ehrlichkeit in Wort und Schaffen. Doch im Ernst, wer will das schon. Mit der Lüge lebt es sich leichter. Übrigens: Ich habe aufgehört zu rauchen und kaue an meinem Bedürfnis, wie ein Löwe auf der Sehne einer uralten Gazelle. Manchmal überkommt e mich noch wie ein kalter Novemberschauer. Dann werde ich schwach und merke, wie sich meine Lungenbläschen zusammenballen, um mir eine Woche den Marsch zu blasen. Ich habe noch ein bisschen was vor, weißt du? Ob mit oder ohne dich ist mir mittlerweile egal. Ich brauche dich nicht. Das rede ich mir zumindest ein. Immerhin geht es mir ja gut. Die Sonne scheint, die Vögel brüllen und du bist weit genug weg, um meine kleinen und großen Lügen zu durchschauen. Wir umarmen uns nicht. Wir schreiben uns kaum. Die Tür schließt sich langsam. Wurde auch Zeit, wenn du mich fragst. Das Märchen endet nie mit: …und der Prinz erschlug den Drachen und befreite die Prinzessin …
Oft ist sie es, die ihn rettet oder es ist der Wurm, der ihn verschlingt. Möglicherweise frisst die alte Echse auch sie. Man weiß es nicht, denn es ist ja niemand mehr da, der es erzählen kann. Helden, mein Freund, gibt es nicht mehr. Das weißt du und ich weiß es noch ein bisschen mehr. Du, der du nicht genauer nachfragst und nicht wissen willst, wie es geht, weil du dann reflektieren und zuhören musst. Du, der du Konsequenzen meidest und deine Sehnsucht verbirgst aus Angst, sie dir selbst einzugestehen. Du, der du schöne Worte kennst- gut geübt und gezielt eingesetzt- bist doch leer und nichtssagend in dir selbst. Du, der du mich trotzdem berührst und dem ich nur ein „gut“ zutraue, ergibst nicht einen allein. Du bist viele und bist ich. Ich werde darüber nachdenken müssen, während ich trinke und schreibe und lese und atme und meiner Sucht nicht nachgebe, die tief in mir schlummert. Am besten du fragst mich nicht, wie es mir geht. Dann brauche ich ungesagt schweigen.

 

Bildquelle: we1t.files.wordpress.com/2018/11/klimawandel.jpg

Aus dem Leben des Herrn Lefard

Aus dem Leben des Herrn Lefard

Es ist ja nun nicht so, als ob ihn jemand gezwungen hätte. Schlussendlich hat ihn seine eigene Inkompetenz hier hinbefördert. Wobei, er weiß nicht ob er hier das richtige Wort gefunden hat für den Zustand, in dem er sich jetzt befindet. Diese verdammte Misere, aus der er sich nicht zu winden weiß. Zumindest nicht, ohne weitere Blessuren zu erhalten- oder zuzufügen. Eigentlich ist Simon Lefard immer davon ausgegangen, ein Mann von Welt zu sein. Wer hat der kann und da er hatte, konnte er es sich leisten auf den Putz zu hauen. Hier nahm er sich eine Frau, da leaste er ein Auto und dort verzieh man ihm jeden Furz, der ihm gerade wiedereinmal quer saß. Das letzteres nicht für jeden zutraf, musste er nun feststellen. Hatte er sich immer für gebildet, wortgewandt und unwiderstehlich gehalten, belehrte sie ihn eines besseren. Er hatte sie gesehen und war, zuerst ein wenig- danach ein wenig mehr, beeindruckt gewesen. Wovon genau, wusste er noch nicht einmal zu sagen. Sie war nicht sein Typ. Normalerweise wäre sie ihm nicht aufgefallen. Kein Wunder also, dass er manchmal staunend über sie sinnierte. Sie war humorvoll, redegewandt und besaß einen Humor, der ansteckend war. Außerdem war sie unsicher und wirkte scheu. Vermutlich trickerte sie dadurch auch seinen Beschützerinstinkt und, obwohl er sie unter anderen Umständen nicht beachtet hätte, dachte er mit einem mal ein wenig mehr über sie nach. Natürlich wollte er sich nicht binden. Sie wohl auch nicht, aber so ganz überzeugt war er nicht. Anfangs wollte er sie sehen, später wollte er das noch immer. Das konnte sie aber nicht wissen, denn er sagte es ihr stets nur beiläufig. Sie gab ihm fehlendes und er gab ihr… – nichts. Jetzt im Nachhinein weiß er das auch. Es war sein eigener Egoismus, der gebauchmiezelt wurde in dieser Zeit- ihrer Zeit. Eine kurze Zeit ist es gewesen. Intensiv ja, nachhaltig nein. Wahrscheinlich hatte er nicht nur sie verletzt, sondern auch sich selbst. Das würde er nie zugeben, denn immerhin stand er stets mit beiden Beinen auf dem Boden. Oder stand er im Schlamm? Vielleicht umfing auch Morast seine Knöchel? Dieser Morast hatte eine schöne Farbe, war weich und irgendwie vermittelte er Geborgenheit. Ach Bullshit! Geborgen hatte er sich bei ihr gefühlt und er hatte es versaut. Sie hatte Abstand genommen und nun? Nun läuft er durch die Straßen und denkt an sie. Es ist ja nun nicht so, als ob ihn jemand gezwungen hätte. Schlussendlich hat ihn seine eigene Inkompetenz hier hinbefördert.

Grau

Grau

Als er das Haus verließ, war es dunkel.
Wieder einmal waren die Straßenlaternen ausgefallen. Nichts Neues in dieser Gegend. Fast machte es den Anschein, als verschlänge die gedungenen Straßen alles Licht. Alles hier erschien, als wäre es von einem grauen Schleier überzogen worden. Vielleicht lag es daran, dass es keine Farben zu geben schien. Nicht laut und nicht leise, gedämpft klangen sogar die Motorengeräusche und das Sprechen seiner Nachbarn, die sich nach der Abenddämmerung nicht mehr auf die Straße wagten. Alles schien anders, als man es von einem Seitenviertel einer großen Metropole erwartet. In Filmen sah immer alles viel bunter aus und die Menschen lebten fröhlich und gesellig. Er hatte das hier noch nie erlebt. Selbst seine Zimmerpflanze schien graue Blätter zu haben.
Nur einmal hatte er einen Blick über den metaphorischen Tellerrand werfen können. Damals, im Sommer. Die Luft flirrte vor Hitze und er folgte einer leisen Melodie, die sein Herz nach und nach zum Klingen gebracht hatte. Dann plötzlich hatte ihn Sonne umgeben und er hörte das Singen von Kindern und die Blumen leuchteten in den schönsten und klarsten Farben, die er jemals gesehen hatte. Damals, erinnerte er sich heute, hatte er die Augen geschlossen und sich um sich selbst gedreht. Er hatte gelacht und eine Leichtigkeit hatte von ihm Besitz ergriffen, die er noch nie vorher gespürt hatte. Als er schließlich die Augen wieder geöffnet hatte, sah er sie. Nein, nicht sie. Er sah nur ihre Augen gefolgt von ihrem Lächeln. Gern hätte er sie umarmt, mit ihr zusammen getanzt, aber er wich einen Schritt zurück. Als sie schließlich die Hand nach ihm ausstreckte, drehte er sich um und rannte kopflos in seine kleine, triste Welt. Weg von ihr, die ihm in diesem kurzen Moment näher gekommen war, als er es jemals für möglich gehalten hatte. Seitdem fragte er sich, was er erlebt hätte, wenn er einfach geblieben wäre, doch es fehlte ihm an Mut.
Mut zu bleiben.
Mut zum Tanzen.
Mut!
Aber er war nicht mutig, sondern eingerichtet. Er hatte sich mit einer Welt abgefunden, von der er dachte, dass sie seine Freiheit sei. Nur diese Augen konnte er nicht vergessen, gefolgt von dem Lächeln und der ausgestreckten Hand. Vor ein paar Wochen hatte sie zu spielen begonnen, die leise Melodie von damals. Erst kaum hörbar klang sie nun fordernd und laut in seinen Ohren. Sie zog und lockte, rief und forderte, hinterließ ein Gefühl, welches er noch nie zuvor gefühlt hatte. Es konnte nicht anders als sie wieder sehen, wollte erneut in diese Augen schauen. Er sehnte sich danach, im Regen zu tanzen. Mit ihr zu lachen. Wissend, dass er nur der Musik folgen musste, zog Vorfreude in sein Herz.
Als er das Haus verließ, war es dunkel.

(Bildrechte: Life is strange Square Enix · Feral Interactive · Black Wing Foundation )

Der Grumplschnupf

Der Grumplschnupf

Früher war alles besser. Die Bäume waren redseliger, die Elstern weniger vorlaut und die Winter summten leise ob der klirrenden Kälte. Der kleine Gnom erinnerte sich noch sehr wohl an die weiß gepuderten Zweige und Ästchen der alten Eiche, unter der er wohnte. Was war das für eine herrliche Zeit. Die Eichhörnchen hatten ihn besucht und er hatte ihnen Nüsse gegeben. Stets war seine Höhle voll von piepsen, fiepen und schnarchen. Letzteres kam von dem alten Igel, der in der hinteren Ecke seiner Behausung schon seit Jahren sein Winterquartier bezog. Das Schnarchen war dem Gnom geblieben. Mürrisch saß er vor seiner Höhle und kaute an einem kleinen Zweiglein.

„Hey Grumplschnumpf, du schaust so mürrisch drein wie der alte Weidendachs- nur das der nichts dafürkann.“ Gevatter Fuchs hatte sich unbemerkt genähert. Ihm war langweilig und er wollte plaudern. Gern war er bei dem kleinen Gnom und lauschte seinen Geschichten. In letzter Zeit allerdings sorgte er sich um seinen Freund. Es schien, als wäre er in den letzten Jahren kleiner geworden. Die spitzen seiner langen Ohren hingen seit neustem traurig nach unten und auch die Mundwinkel des kleinen Mannes neigten sich, eines Sägebügels gleich, dem Waldboden entgegen. Die großen Augen blickten traurig und das Rotfell befürchtete, dass auch bald die Stimme des Waldgnomes verstummen könnte, denn dieser erzählte leiser und brüchiger seine Geschichten aus der alten Zeit.

„Ach was weißt du denn schon von den schweren Gedanken eines mittelalten Gnomes. Du streifst durch deine Welt, fängst hier eine Maus und gräbst danach Wurzeln. Dein Leben ist jeden Tag einzig und du machst dir keine Gedanken um die nächsten Jahre. Die Zeit liebt dich, weil dein Leben kürzer ist als ein Augenaufschlag. Mich hingegen verhöhnt es jeden Tag. Nichts ist wie es sein sollte. Es stört mich ja gar nicht, dass der Zauber dieser Welt nicht mehr gesehen wird. Vielmehr ist es die Langeweile und die Alltäglichkeit dieser Zeit die mich, wie du richtig bemerkt hast, mürrisch macht.“

Und das war nicht alles. Dem Gnom fehlten die Menschen. Kaum mehr sah er jemanden vom großen Volk durch die Wälder streifen. Einstmals, so erinnerte er sich, hatten Mägde ihre Wäsche im kalten Waldbach gewaschen und an der Quelle tief im Wald den alten Göttern gedacht. Er erinnerte sich an Männer, die Holz schlugen und junge Mädchen die schweigend in aller Herrgottsfrühe zum Bach gingen und Osterwasser holten, während sie die Burschen zu erschrecken suchten. Hin und wieder kamen die Menschen auch zu der alten Eiche und ließen kleine Geschenke da. Zum Ausgleich fanden sie wenige Monate später die schönsten Blumen in ihrem Garten, bunte Vogelfedern auf ihrem Weg oder knackige Äpfel und süße Beeren auf ihrer Türschwelle. Nie hatte Grumplschnumpf vergessen, sich bei dem großen Volk zu bedanken. Nachdenklich kraulte er das Nackenfell des Fuchses, welcher sich neben ihm niedergelassen hatte, und schwieg nachdenklich. So saßen die beiden Freunde bestimmt eine Stunde, als der Rotpelz mit einem Mal die Ohren aufstellte, aufsprang und blitzschnell in einem Gebüsch hinter der alten Eiche verschwand. Verwundert sah Grumplschnumpf ihm nach, wollte schon rufen und fragen was das solle, als er ein Knacken hörte. Wie die meisten Gnome verhielt es sich auch bei ihm so, dass er sich blitzschnell seiner Umgebung anpassen konnte. Er lehnte sich also an den Stamm der alten Eiche und die Maserung der Rinde legte sich auf seine Haut und seine Kleidung. Einzig seine wachen Augen hoben sich ab und diese weiteten sich, als ein junger Bursche die Lichtung betrat. Fast ein Kind war er noch und sein Schritt war federnd und leicht. Vor der Eiche blieb er stehen und kramte in seinen Taschen, aus denen er zu Grumplschnupfs Überraschung bunte Bänder, ein Fläschchen mit rotem Inhalt und zwei Kerzen samt Halter holte. Nachdem er alles vor dem alten Baum ausgebreitet hatte, neigte er den Kopf und blondes Haar fiel über seine Augen. Leise stimmte er einen alten Singsang an, klagte dem Wald sein Leid und rührte das Herz des Gnomes.

„Geister des Waldes, hört mich an. Ich bin allein auf dieser Welt. Mein Vater starb vor wenigen Tagen und meine Mutter verlor den Verstand darüber. Nun muss ich für alle sorgen und weiß nicht, wie ich es machen soll. Demütig klage ich euch mein Leid. Ich habe Geschenke mitgebracht: bunte Bänder um die Windgeister zu ehren, Wein von den süßen Trauben meines Gartens, um die Erde gnädig zu stimmen, Kerzen um dem Feuer ehre zu geben und “, der junge Mann griff in die Tasche und holte einen durchsichtigen Stein hervor, „… Rosenquarz für die Götter des Wassers. Möget ihr mir doch gnädig sein und mir Beistand leisten. Ich möchte in eure Lehre gehen.“

Nach seiner Ansprache verteilte der Knabe seine Gaben. Die Bänder legte er um die Zweige der Eiche, den von dem Wein vergoss er einen kleinen Schluck auf den Boden vor dem Baum und stellte den Rest direkt neben den Gnom, die Kerzen platzierte er auf die Untersetzer und zündete sie im Windschatten von ein paar Steinen an und das Quarz wurde von dem Jungen an den Fluss übergeben. Verwundert beobachtete Grumplschnupf das ganze Tun des Menschen und erinnerte sich einer Zeit, in der er selbst als guter Geist des Waldes von Bittstellern besucht worden war. Seit Jahrhunderten aber war niemand mehr hier gewesen. Nachdem der Junge seine Gaben dargebracht und die Lichtung verlassen hatte, kam auch der Rotpelz wieder aus seinem Versteck hervor. Er schnupperte an der Stelle wo der Wein des Knaben versickert war und nieste verhalten. So etwas hatte der Fuchs auch noch nie erlebt. Fragend sah er zu dem Gnom, der sich wieder enttarnt hatte und nachdenklich das Werk des Menschenkindes betrachtete.

„Wahrscheinlich werde ich doch noch gebraucht. Menschen sind so furchtbar stolz, aber es scheint noch welche zu geben, die an alte Wunder glauben.“ Mutmaßte er und dem Fuchs fiel auf, dass sein alter Freund lächelte. Außerdem schien es ihm, als wäre Grumplschnupf von einem Moment auf den Anderen jünger geworden. Die Falten waren nicht mehr so tief, die Ohren liefen spitz zu und drehten sich eifrig mit dem Wind und hingen nicht mehr nach unten. Der Gnom schien wie ausgewechselt. Schon am nächsten Tag würde er sich auf den Weg zu dem Jungen begeben und der Gnom hoffte, dass seine Magie nicht eingerostet war. Er hatte sie schon seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt um Menschen Gutes zu tun. Der Fuchs hörte schwanzwedelnd den lebhaften Ausführungen seines Freundes zu und bellte hin und wieder bestätigend. Das bekamen wohl auch die Eichhörnchen mit und selbst der alte Igel unterbrach für einen Moment sein Schnarchkonzert. An diesem Abend war die Höhle voll und Grumplschnumpf erzählte die alten Geschichten. Irgendwann wurde seine Stimme schleppend und er schlief ein, was aber nicht an irgendwelchen traurigen Gedanken lag, sondern an schwerem, süßen, roten Wein.