Eisprinzessin

Nun steht sie hier.
Abgrund oder Chance, sie ist sich nicht sicher. So, stellt sie sich vor, muss sich ein Bergsteiger fühlen, wenn er an der Felswand hängt. Zwar ist er gesichert, aber wer garantiert ihm, dass die Seile halten? Er darf nicht nach unten sehen, da ihn sonst der Mut verlassen könnte. Möglicherweise warten die Taue die ihn halten nur darauf, dass er zweifelt.
Sie fühlt sich wie dieser Bergsteiger. Vor ihr die Wand. Irgendwo, weit über ihr die Freiheit.

Als Kind hatte sie so viele Träume und nun wo sie hier in den morschen Seilen hängt weiß sie, dass von alledem lediglich ein Haufen Schrott übrig geblieben ist.

Eigentlich hatte ihr jüngeres Ich nur nach Anerkennung gesucht.
Katzengold statt Reichtum. Es hatte an den falschen Stellen geschürft.

Mit hohlen Phrasen und leeren Versprechungen kennt sie sich aus. Mittlerweile kann sie den alles verzehrenden Abgrund hinter ihnen erkennen. Hungrig ist er immer, genau wie sie selbst. Die Depression hockt auf ihrer Schulter wie ein alter, hässlicher Papagei, der ihr stets dasselbe souffliert.
Ich bin nichts, kann nichts, werde nie etwas sein!

Die Stimme ist die letzten Jahre immer lauter geworden und nun ist da auch noch ein Kind, welches mehr will als sie vielleicht zu geben bereit ist.

Doch!

Bereit ist sie, aber das Gefühl der Unfähigkeit ist stark. Es nagt ständig in ihrem Kleinhirn wie eine Ratte, die sich den Weg durch ein Stück Käse bahnt.

Wieder einmal ist sie falsch abgebogen. Sie hat Vertrauen gelassen wie Konfetti, welches bunt zur Erde fällt und dann zertreten wird.
Schon wieder!
Der Traum von Familie ist dahin. Sie ist abhängig von dem Wohlwollen anderer, doch wollen sie ihr Wohl?

Ein bitteres Lachen gurgelt nach oben und stößt gewaltvoll gegen zusammengebissene Zähne. Vielleicht hat sie es nicht anders verdient.

Schmerzen kennt sie.
Enttäuschung enttäuscht sie nicht.
Da, wo viele zerbrechen, ist sie schon gewesen.

Unkonzentriert und fahrig greift sie nach der kleinen Hand und versucht sie zu halten.
Stark zu sein.
Versucht zu kämpfen und hängt sich in die morschen Seile.
Nur nicht nach unten sehen!

Soll sie nach der Hand greifen, die sich ihr helfend entgegenstreckt?
Kann sie den Versprechungen glauben, die ihr gemacht werden?
Sollte es noch nicht zu spät sein?

Kinderaugen sehen sie an und in ihrem Zaudern entscheidet sie, sich auf ein weiteres Abenteuer einzulassen. Langsam beginnt sie sich zu ergeben.
Jede Chance beginnt mit einem Funken Vertrauen.

Vertrauen!

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